Stadtteilübergreifende Dorfentwicklung in Bad Schwalbach
Wiesbadener Tagblatt 19.05.15
Von Susanne Stoppelbein
BAD SCHWALBACH – Die stadtteilübergreifende Dorfentwicklung in Bad Schwalbach geht ab Herbst in die Projektphase. Nach einem Jahr konzeptioneller Arbeit, Ortsrundgängen, Daten- und Ideensammlung liegt nun das sogenannte integrierte Kommunale Entwicklungskonzept (IKEK) vor, mit dem der Förderbescheid beim Land beantragt werden kann.
Für die strukturelle Weiterentwicklung der acht Bad Schwalbacher Stadtteile kann eine Million Euro eingesetzt werden. Dabei kommen 75 Prozent vom Land, die restlichen 25 Prozent muss die Stadt selbst beisteuern.
Laufzeit bis 2022
Hinter der Teilnahme an dem Landesprogramm steht vor Ort die Überlegung, dass auch die Stadtteile besonders gefördert werden sollen, während sich die Kernstadt mit zusätzlichem Geld vom Land auf die Landesgartenschau 2018 vorbereitet. Vom Ansatz her zielt das Programm auf die Bewältigung des Demografischen Wandels und auf die Überwindung des Ortsteildenkens. Es läuft bis 2022. Für diese Zeit ist die Ausweisung neuer Baugebiete ausgeschlossen.
Das mit Bürgern in den Ortsteilen erarbeitete Entwicklungskonzept umfasst vier Handlungsfelder mit einem Dutzend Projekten. Darunter die Stärkung des Vereinslebens, die Gestaltung attraktiver Treffpunkte im Freien und die Schaffung von Angeboten und Räumen für Jugendliche. Gedanken will man sich über die künftige Funktion und Nutzung der Bürgerhäuser machen, über die Leerstandsproblematik, die Versorgung mit Ärzten, Geschäften und Busverbindungen. Neu ist, dass das ortsübergreifend geschieht und nicht mehr jeder Ort für sich alleine werkelt. „Die Probleme im ländlichen Raum kann man nicht auf Dorfebene lösen“, betont Hans-Joachim Egenolf von der Dorfentwicklungsbehörde (ARLL). „Wenn etwa eine Arztpraxis in einem Stadtteil einzieht, profitieren alle davon.“
Während der Stadtteilbegehungen sind manche – Bürger wie Kommunalpolitiker – in Orte gekommen, die sie jahrzehntelang nicht besucht hatten, obwohl alle zu Bad Schwalbach gehören. Man habe festgestellt, „dass wir alle ähnliche Probleme haben“, sagt etwa die Ortsvorsteherin von Hettenhain, Ingrid Bär. Es komme darauf an, auch die Möglichkeiten der anderen zu sehen. Bei den Rundgängen mit Bürgern habe man aber auch den eigenen Ortsteil aus anderen Blickwinkeln kennengelernt, ergänzt der Lindschieder Ortsvorsteher Ulrich Sommer. Zudem hätten sich auch Mitbürger beteiligt, deren Gesichter man bisher weder von Veranstaltungen noch aus den Vereinen gekannt habe.
Inzwischen gebe es erste gemeinsame Veranstaltungen von Stadtteilen, sagt Bär. Als ortsverbindendes Projekt nennt sie neu gestaltete Ortsschilder (Foto). „Die sollen an einem Tag X gleichzeitig in allen Dörfern aufgestellt werden.“ Kürzlich haben sich die beteiligten Behörden und Planungsbüros sowie Vertreter der Ortsteile zu einem Abschlussgespräch im Bad Schwalbacher Rathaus getroffen. Mit am Tisch saß auch die Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen, die über die Fördermittel wacht.
Beschluss im Juli
Voraussichtlich im Juli soll das Stadtparlament das Entwicklungskonzept beschließen. Die Umsetzung im Detail obliegt dann einer Steuerungsgruppe, der unter anderem Vertreter der Ortsteile, der Stadt- und der Kreisverwaltung angehören. Am 9. Juli ist eine städtische Bürgerinformationsveranstaltung geplant, bei der die Ergebnisse des langwierigen Vorbereitungsprozesses vorgestellt werden.
Tatsächlich hat die Erarbeitungsphase mehr als ein Jahr in Anspruch genommen. Begleitet wurde sie von einem Moderations- und Planungsbüro. Etwa 30 öffentliche Termine haben stattgefunden, wie Bauamtsleiter Kunibert Braukschulte berichtet, „mit überwiegend recht ordentlichem Zuspruch“.
Kaum nachgefragt wurde dagegen bislang die zweite Programmschiene für private Bauherren. Eigentümer innerhalb der Fördergebiete in den Ortskernen können sich nicht nur kostenlos beraten lassen, sondern auch Zuschüsse für ihre privaten Projekte beantragen. Die Bandbreite reicht weit über die aufwendige Sanierung alter Häuser hinaus, wie Egenolf betont. Sogar ein Abriss könne in bestimmten Fällen gefördert werden.