Grenzbegehung 2016

Wiesbadener Tagblatt 29.12.2016

Von Thorsten Stötzer

HETTENHAIN – Am Roten Stein haben die Teilnehmer der traditionellen Hettenhainer Grenzbegehung den höchsten Punkt der acht Kilometer langen Strecke erreicht. Der Blick fällt auf insgesamt acht Windkrafträder in Heidenroder und Hohensteiner Gemarkung, deren Rotorspitzen in den Wolken stecken. Es ist ein kühler, aber angenehm trockener und windarmer Vormittag zum Wandern. So offenbart die Landschaft auch ohne grünende Bäume oder Schnee ihre Reize.

Ein ganz anderes Bild bot sich einst dem Pfarrer Plebanus, der auf dem Weg von Miehlen nach Idstein durch die Gegend kam und von der Höhe die Dörfer brennen sah. Das war in der Zeit des 30-jährigen Krieges (1618 bis 1648). Davon berichtet Ernst Jude, der wie in den Vorjahren Historisches über Hettenhain erzählt.

Vorfahren mussten Abgaben an die Burgherren leisten

Er legt dar, was die Vorfahren damals zwangsweise auf der Burg Hohenstein abliefern mussten, nämlich 37 Zentner Hafer, 40 Hühner und 30 Klafter Holz. „Da hatten sie praktisch gar nichts mehr“, verdeutlicht Jude. Es wurden Fast- und Bettage angeordnet, um Lebensmittel zu sparen. Doch das linderte kaum die Not, die zum Beispiel wuchs, als im Februar 1625 äußerst grimmige Kälte einsetzte.

Kannibalismus kam in der Region im 30-jährigen Krieg nicht selten vor. In der Hettenhainer Chronik sind zudem Gräueltaten marodierender Soldaten vermerkt. „Da wurden Leute ans Scheunentor genagelt“, sagt Jude, oder sie wurden mit dem Schwert hingerichtet. Anderen flößten die Militärs Jauche ein. Spanier plünderten ebenso wie Schweden. Nur eine Familie im Ort soll den Krieg überlebt haben.

Heute ist Hettenhain wieder eine vitale Ortschaft. Rund 40 Wanderer interessieren sich an diesem Tag für ihre Heimat und speziell die Gemarkungsgrenzen. Uli Hofmann führt sie über den Rabenkopf und die Muhlmach hinunter bis ins Aartal, wo es bei Jürgen Schmoll nahe der Lauberstegmühle eine Rast mit Glühwein gibt. Mal geht es über breite Asphaltwege, dann ist der Fußpfad schmal und unbefestigt.

„Rebellen aus dem Taunus“ verhindern Deponie

Am Ende wartet die Feuerwehr als Veranstalter der Grenzbegehung in ihrem Gerätehaus mit einem Mittagsimbiss. Bratwurst bereitet Gerhard Bieler mit den Helfern zu. Beim Abschluss können die Teilnehmer ihre Eindrücke nochmals Revue passieren lassen und sich vergegenwärtigen, dass die Umgebung anders ausschauen würde, wenn 1990 nicht die „Rebellen aus dem Taunus“ aktiv gewesen wären.

Von ihrem erfolgreichen Protest gegen eine geplante Erdaushub-Deponie spricht Ernst Jude ebenfalls am Roten Stein. 40 Hektar groß und mit einer Aufschüttungshöhe von 90 Metern bei 30 Jahren Bauzeit – so beschreibt er die Entwürfe für die Deponie, gegen die sich eine Bürgerinitiative stemmte. 170 Meter von Hettenhain und 600 Meter von Bad Schwalbach hätte sie sich nach seinen Worten erstreckt, wenig Sonne hätte noch die Häuser erreicht. Aber „es ist alles im Sand verlaufen“, so Jude.